100%-Solarhaus
Selbst bei klirrender Kälte ist es im Solarhaus mollig warm. Riesiger Wasserspeicher ist das Herzstück der Heizanlage. Für den Massenmarkt ist das Konzept noch nicht geeignet
Kappelrodeck (ww). 2008 explodierten die Heizkosten. Doch der drastische Preisschub und der zurzeit herrschende Dauerfrost lassen Doris Hittler und Harald Schelske kalt. Solange die Sonne scheint, machen die Eigentümer von Deutschlands erstem, 100-prozentig mit Solarenergie beheizten Haus in Kappelrodeck, selbst im tiefsten Winter noch ein Geschäft. „Täglich können wir 100 Kilowattstunden in das Heizsystem einspeisen das entspricht zehn Litern Öl“, freut sich Doris Hittler.
Wenn vor der Tür die Temperaturen in die Tiefe schlittern, bleibt es innerhalb des Hauses selbst nachts noch mollig warm. Morgens sitzt das Paar im T-Shirt am Frühstückstisch. Die 25 Quadratmeter große Fensterfront ihres sieben Meter hohen, auf 23 Grad aufgeheizten Wohnzimmers, bietet eine Wunderbare Aussicht auf die mit Schneetupfern bedeckte Rebenlandschaft
Auf dem Süddach und Terassengeländer sind auf rund 110 Quadratmetern Sonnenkollektoren montiert. Der 42800 Liter fassende Wasserspecher bildet das Herzstück des Hauses. Er wurde isoliert und wie die aus Schwarzwälder Weißtannen gefertigten Wände mit einem farblich abgestimmten Naturlehmputz versehen. Außer dem im Haus integrierten, vom Keller bis zum Dach reichenden Pufferspeicher, bleibt die Heizung unsichtbar. Das von der Solarenergie bis zum Siedepunkt aufgeheizte Wasser des Tanks wird in die Wandflächenheizung geleitet, die für ein behagliches Wohlfühlklima sorgt.
„Wir wollen zeigen, dass es möglich ist, ein allein mit Solarenergie beheiztes Haus zu bauen“, erklärt der Mösbacher Unternehmer Gerold Weber, der die Konzeption des höchst innovativen Musterhauses erstellte. Das Experiment ist gelungen – erst wenn in der Ortenau eine neue Eiszeit anbricht und der Dauerfrost über vier Monate anhält, könnte das Paar Heiz-Probleme bekommen. Der Gesamtstromverbrauch des Hauses liegt, so bilanzieren die Eigentümer, bei 2500 Kilowattstunden. Da die aus 26 Photovoltaikmodulen bestehende Solaranlage jährlich rund 2800 Kilowattstunden produziert, schlägt hier für das Paar ein deutliches Plus zu Buche.
Zu den ökologischen Feinheiten gehört das mit der einheimischen Flora begrünte Norddach. Die kostbares Trinkwasser sparende Regenwasseraufbereitung betreibt die sanitären Anlagen nebst Waschmaschine. Zum Öko-Stil des Hauses gehören ebenso Holzterassen und Holzfußböden, die statt eines Estrichs einen Untergrund aus Kalksplit erhielten.
Das Experiment wurde bereits kurz nach der Fertigstellung höchst offiziell gefeiert. Gerold Weber, Doris Hittler und Harald Schelske erhielten 2006 die Plakette des Deutschen Solarpreises aus der Hand von Hermann Scheer, dem Träger des Alternativen Nobelpreises. Seither geben sich Minister, Bundestags- und Landtagsabgeordnete, Journalisten sowie viele interessierte Bürger die Klinke in die Hand. Weber und Schelske müssen im Gespräch jedoch klarstellen, dass ihr Musterhaus noch nicht für den Massenmarkt geeignet ist. „Je höher der solare Versorgungsgrad ist, desto teurer wird das Gebäude. Die letzten 20 Prozent machen 80 Prozent der Baukosten aus“, verdeutlicht Schelske. Das finanzielle Opfer brachte das Paar gerne, können sich doch die Bauherren als allseits geachtete, zukunftsweisende Pioniere der Ökologiebewegung fühlen.
(Zeitungsartikel vom 13.01.2009 aus der ABB)